Der Anspruch auf Nacherfüllung und deren Erfüllungsort beim Autokaufvertrag

Wenn eine Kaufsache mangelhaft ist, hat der Käufer den Verkäufer zur Nacherfüllung aufzufordern. Gemäß § 439 Abs. 1 BGB kann der Käufer Nacherfüllung nach seiner Wahl durch Beseitigung des Mangels oder der Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Erst nach der erfolgten Aufforderung zur Nacherfüllung, welche nur unter ganz besonderen Umständen, auf welche hier nicht näher eingegangen werden soll, entbehrlich ist, kann der Käufer im Falle der Verweigerung durch den Verkäufer sodann seine weitergehenden Rechte auf Rücktritt, Schadensersatz oder gar Minderung geltend machen. In der Praxis ist gelegentlich streitig, wo der Verkäufer die Nacherfüllung zu erbringen hat.

Hierzu liegt nunmehr eine weitere Entscheidung des OLG Koblenz, Urteil vom 16.07.2010, Aktenzeichen 8 U 812/09, vor, welcher folgender vereinfacht dargestellten Sachverhalt zu Grunde lag:

Der Kläger, welche Verbraucher im Sinne des Gesetzes gewesen ist (§ 13 BGB), erwarb bei dem Beklagten, welcher Unternehmer im Sinne des Gesetzes gewesen ist (§ 14 BGB) und eine eigene Werkstatt unterhielt, ein Faltanhänger zu einem Kaufpreis von 7.320,00 € zum privaten Gebrauch. Kurze Zeit nach der Übergabe/den Gefahrübergang offenbarte sich ein Mangel an der Kaufsache. Der Kläger forderte daraufhin den Beklagten zur Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels auf, welcher hierzu zwar bereit gewesen ist, jedoch von dem Kläger forderte, dass er die Kaufsache in seine Werkstatt zur Reparatur verbringt. Der Kläger lehnte dies jedoch ab und erklärte letztendlich den Rücktritt vom Vertrag ( Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache).

Das Gericht hatte sich daher neben den weiteren Voraussetzungen des Rücktritts mit der Frage zu beschäftigen, ob der Beklagte durch seine Verweigerung die Kaufsache von dessen Belegenheitsort beim Kläger abzuholen, eine ihm obliegende Pflicht im Rahmen der Nacherfüllung verletzt hat.

Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Käufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet ist, den Verkäufer die mangelhafte Sache (hierfür) zur Verfügung zu stellen. Inwieweit der Käufer jedoch auch verpflichtet ist, die Kaufsache zwecks Nacherfüllung zum Verkäufer zu bringen, ist derzeit durch den Bundesgerichtshof für das Kaufrecht noch nicht entschieden worden, sondern vielmehr in der Literatur und Rechtsprechung umstritten.

Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass der Nacherfüllungsort der Ort ist, an welchem sich die Kaufsache bestimmungsgemäß befindet bzw. genutzt wird, was vorliegend der Wohnsitz des Käufers bzw. Klägers wäre (z.B. OLG Celle, Urteil vom 10.12.2009, Az. 11 U 32/09; OLG München, Urteil vom 12.10.2005, Az. 15 U 2190/05). Für diese Ansicht spricht, dass der Erfüllungsort im Falle des Rücktritts vom Kaufvertrag der Belegenheitsort der Kaufsache ist, was erst recht für die Bestimmung des Nacherfüllungsortes gelten müsse und im Übrigen das Gesetz in § 439 Abs. 4 BGB im Falle der Lieferung einer mangelfreien Sache durch den Verkäufers zum Zwecke der Nacherfüllung auf die Vorschriften des Rücktritts (§§ 346-348 BGB) verweist. Auch unter dem Gesichtspunkt der Interessenlage entspricht es dem gesetzlichen Leitbild in § 439 Abs. 2 BGB, dass der Verkäufer die erforderlichen Transportkosten zu tragen hat, so dass es widersinnig wäre, wenn der Käufer die Kaufsache zum Zwecke der Nacherfüllung zum Verkäufer zu verbringen habe und sodann erst die hierdurch (lediglich) entstandenen Transportkosten zurückerstattet bekommt. Letztendlich Gebiete es im Falle des Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufvertrages auch die vorzunehmende richtlinienkonforme Auslegung (Art. 3 Verbrauchsgüterrichtlinie), den Käufer nicht mit der Organisation des Transportes zu belasten, da dies eine erhebliche Unannehmlichkeit im Sinn des Art. 3 Abs. 3 der Verbrauchsgüterrichtlinie darstelle, wobei hierfür auch spricht, dass im Werkvertragsrecht auch -unter Zugrundelegung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 08.01.2008, Aktenzeichen X ZR 97/05)- die Nacherfüllung am Belegenheitsort zu erfolgen hat.

Die Gegenansicht ( u.a. OLG München, Urteil vom 16.07.2007, Az. 20 U 2204/07) geht davon aus, dass der Erfüllungsort der Nacherfüllung in der Regel der ursprüngliche (Leistungs-) Ort ist, da der Nacherfüllungsanspruch nur ein modifizierter Erfüllungsanspruch ist und daher es nicht zu unterschiedlichen Erfüllungsorten (Leistungsorten) kommen könne, es auch dem Interesse der Parteien entspräche, dass die Nacherfüllung am ursprünglichen Leistungsort erfolge und lediglich im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und nach Treu und Glauben im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ein anderer Erfüllungsort für die Nacherfüllung angenommen werden könne sowie letztendlich, dass aufgrund der gesetzlichen Regelung, dass der Verkäufer die Transportkosten für die Verbringung der Sache zum Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung zu tragen habe, gerade nicht entnommen werden kann, dass der Verkäufer (auch) verpflichtet ist, die Kaufsache am Belegenheitsort beim Käufer zum Zwecke der Nacherfüllung abzuholen.

Das Oberlandesgericht schloss sich der letztgenannten Ansicht an und wies die Klage des Käufers ab, da die Forderung des Klägers auf Nacherfüllung unter Einbeziehung der Verpflichtung des Beklagten (Verkäufers) die Kaufsache vom Belegenheitsort abzuholen, kein wirksames Nacherfüllungsverlangen im Sinn des Gesetzes darstelle und somit die Voraussetzungen für den letztendlich erklärten Rücktritt nicht gegeben gewesen seien.

Im Zweifel ist der Nacherfüllungsort am Wohnort bzw. der gewerblichen Niederlassung des Verkäufers

In Fortsetzung dieser kontroversen Rechtsprechung, hat nunmehr der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 13.04.2011, Aktenzeichen VIII ZR 220/10) zu der Frage des Erfüllungsortes für die Nacherfüllung im Falle des Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufs unter Berücksichtigung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Art. 3 Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) Stellung genommen. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall, kaufte der Kläger, welcher in Frankreich wohnhaft gewesen ist, bei der Beklagten, welche ein Fachgeschäft für Campingfahrzeuge mit eigener Werkstatt in Deutschland betreibt, einen neu hergestellten Faltanhänger für 7370,00 € zum privaten Gebrauch. Im Vertrag haben die Parteien unter der Rubrik Lieferung vereinbart: "Selbstabholer". Die Klägerin nutzte den Anhänger nach erfolgter Übergabe in ihrem Urlaub und rügte in der Folgezeit verschiedene Mängel, deren Vorliegen (bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs/Übergabe) zwischen den Parteien unstreitig ist. Letztendlich forderte der Kläger die Nacherfüllung durch Beseitigung der Mängel und zu diesem Zweck die Abholung der Kaufsache vom Wohnort des Klägers, wozu ein rotes Überführungskennzeichen erforderlich gewesen wäre. Letztendlich erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag Zug um Zug gegen Rückgabe der Sache und Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 7370,00 €. (Anmerkung: Deutsches Recht war nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB a.F. unter Zugrundelegung der Vermutung in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 EGBGB a.F. anzuwenden, wobei nunmehr mit Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Rom I Verordnung mit Wirkung zum 17. 12. 2009, Art. 4 Abs. 1 lit.a) dieser Verordnung, auf Kaufverträge über bewegliche Sachen Anwendung findet, wobei die Ausnahmen nach Art. 6 bei Verbraucherverträgen zu beachten sind.)

Das Gericht beschäftigte sich u.a. letztendlich mit der Frage, ob das Nacherfüllungsverlangen des Käufers wirksam gewesen ist, da er zwar grundsätzlich bereit gewesen ist, die Kaufsache zur Reparatur zur Verfügung zu stellen, es jedoch ablehnte, den Anhänger zu diesem Zweck an den Geschäftssitz des Verkäufers (der Beklagten) zu bringen. Fraglich war daher, ob der Käufer verpflichtet ist, die Kaufsache zum Zwecke der Nacherfüllung (vorliegend zum Zwecke der Mängelbeseitigung) zum Verkäufer zu bringen. Letztendlich entschied der BGH unter Darlegung des o.g. Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur die Frage nunmehr dahingehend, das der Erfüllungsort für die Nacherfüllung nach der allgemeinen Vorschrift des § 269 BGB zu bestimmen ist. Hiernach ist vorrangig aufgrund einer etwaigen Parteivereinbarung zu bestimmen, wo der Erfüllungsort für die Nacherfüllung sein soll. Liegt keine Parteivereinbarung vor, was der Regelfall in der Praxis sein dürfte, ist des weiteren zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen in Bezug auf die Art/Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses oder gar (wohl nur bei Verbraucherverträgen) Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Art. 3 Abs. 3 eine Entscheidung rechtfertigen, wonach Umstände im konkreten Fall vorliegen, welche es gebieten und letztendlich rechtfertigen, dass der Erfüllungsort am Ort der Belegenheit der Sache / des Wohnsitzes des Verbrauchers ist. Sollten solche Umstände nicht vorliegen, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Wohnsitz bzw. die gewerbliche Niederlassung des Schuldners (Verkäufers) der Ort für die Nacherfüllung ist. Soweit eine Auslegung des § 269 Abs. 1 BGB an Art. 3 Abs. 3 der Verbrauchsgüterrichtlinie erfolgt, ist grundsätzlich nicht von vornherein davon auszugehen, dass der Erfüllungsort der Nacherfüllung in jedem Fall mit dem Belegenheitsort der Kaufsache gleichzusetzen ist. Hiervon kann nur dann ausgegangen werden, wenn unter Bezug auf den vorliegenden Fall ansonsten der vom Verbraucher erforderliche Transport oder dessen Organisation diesem erhebliche Unannehmlichkeiten bereiten würde, welche die Erheblichkeitsschwelle überschreiten.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wies der BGH die Klage des Käufers ab, da aus den besonderen Umständen des Schuldverhältnisses, nämlich dem Begehren des Klägers zur Reparatur der unstreitig bestehenden Mängel, es erforderlich gewesen ist, dass das Fahrzeug in einer Reparaturwerkstatt verbracht werden muss und aufgrund der relativ geringen (örtlichen) Entfernung zwischen den Vertragsparteien, die Verbringung der Kaufsache zum Firmensitz der Beklagten und dessen Organisation für den Käufer keine erhebliche Unannehmlichkeit darstellt. Da der Käufer (Kläger) die Kaufsache nicht zum Verkäufer (Beklagten) zum Zwecke der Mängelbeseitigung verbracht hat, lag kein wirksames Nacherfüllungsverlangen und somit unter anderem nicht die dahingehende Voraussetzungen für den erklärten Rücktritt vor.

Interessant und Bedeutung für die weitere Rechtsprechung dürfte die Entscheidung auch unter Zugrundelegung der in § 439 Abs. 2 BGB geregelten Kostentragungspflicht für die Verbringung der Kaufsache zum Wohn- bzw. Geschäftssitz des Verkäufers haben. Hiernach hat der Verkäufer die zum Zwecke der nach Erfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-,-und Materialkosten zu tragen. Ganz beiläufig führt der BGH im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Art. 3 Abs. 4 aus, dass wenn die Nacherfüllung es erfordert, dass der Käufer die Kaufsache zum Verkäufer bringt oder versendet, diese Kosten zwar vorerst bei ihm anfallen, jedoch gestützt auf § 439 Abs. 2 BGB ein Vorschussanspruch hinsichtlich dieser Kosten in Betracht kommt, da der Verkäufer die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes unentgeltlich zu bewirken hat und der Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen geschützt werden soll. Die Pflicht zum Vorschuss dieser Kosten könnte den Verbraucher davon abhalten, seine Ansprüche geltend zu machen, so dass dieser Hinderungsgrund einen Vorschussanspruch rechtfertigen kann. Es bleibt nunmehr abzuwarten, inwieweit die Rechtsprechung die Voraussetzungen für einen solchen Vorschussanspruch modifiziert und insbesondere Klarheit darüber schafft, unter welchen Voraussetzungen von einem solchen im Gesetz nicht ausdrücklich benannten (Vorschuss-) Anspruch auszugehen ist, oder ob dieser vielleicht gar grundsätzlich bei Verbraucherverträgen besteht.

In der Praxis sollte im Zweifel und auf Grund des bestehenden Prozesskostenrisikos der sicherste Weg gewählt werden und im Falle der begehrten Nacherfüllung die mangelhafte Kaufsache dem Verkäufer zum Leistungsort (in der Regel der Ort, an dem dem Käufer vom Verkäufer die Sache übergeben wurde) gebracht werden. Die hierdurch entstandenen Kosten kann der Käufer vom Verkäufer ersetzt verlangen. In den meisten Fällen wird so oder so eine Einigung zwischen den Parteien möglich sein, da es in der Regel dem Interesse des Verkäufers entspricht, die entstehenden Transportkosten gering zu halten und ihm hierfür andere kostengünstigere Möglichkeiten in der Regel zur Verfügung stehen. Hierbei sollte jedoch zur Schaffung von Rechtsklarheit darauf geachtet werden, dass eine Regelung darüber getroffen wird, wer im Falle der Beschädigung oder Zerstörung der Sache während des Transportes zum Verkäufer die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen hat.

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